Wo trifft unser Angebot auf Kunden? In welcher Region finden wir Talente? Fragen rund um das „Wo“ spielen in nahezu jedem Unternehmen eine Schlüsselrolle. Auf welch innovative Weise Vorreiter Antworten finden, erfahren Sie im Interview.
Kein Wunder, dass der Geo-IT-Markt boomt. Nur mit GIS-Technologie kann die Realität in höchster räumlicher und zeitlicher Präzision digital abgebildet werden. Das ist die Voraussetzung für jedwede Planung und Simulation, aber auch für Visualisierungen als Entscheidungsunterstützung.
Doch wie profitieren Unternehmen konkret von dieser Technologie? Welche Anwendungsfälle sind möglich? Und: Wie sieht die Zukunft der Geo IT aus? Darüber sprechen wir mit dem Senior Leadership Team von Esri Deutschland und Schweiz.
Jürgen Schomakers
Managing Partner von Esri Deutschland und Schweiz
Es liegt auf der Hand: Ohne die räumliche Komponente in IT- und Analytics-Lösungen geht es kaum mehr. Jürgen und Thomas, wie bewertet ihr die Entwicklung der letzten Jahre rund um Location Intelligence und GIS?
Jürgen Schomakers (Managing Partner Esri Deutschland und Schweiz): Für mich ist es schon bemerkenswert, wie omnipräsent Technologie mit Raumbezug heute in unserem Alltag verankert ist. Ob bei der Navigation via Smartphone, der Bestellung einer Mitfahrgelegenheit oder der Verfolgung einer Lieferung – überall spielt „Spatial Thinking“ eine zentrale Rolle.
Thomas Kijftenbelt (Sales Director von Esri Deutschland): Diese generierten Standortdaten sind nicht nur aus Anwendersicht hilfreich. Unternehmen erkennen zusehends das Analysepotenzial von Standortdaten, um Erkenntnisse für Ihr Business zu gewinnen.
Wie können wir uns das genau vorstellen?
JS: Die Stärke der Geodatenanalyse liegt in der Beantwortung der Fragen rund um das “Wo”: Wo treten unsere Kunden mit uns in Kontakt? Wo sind wartungsrelevante Anlagen im Einsatz? Wo treten Risiken in der Lieferkette auf?
TK: Wichtig dabei ist: Die Analyse von Daten im Kontext des Standorts kann uns nicht nur sagen, wo sich die Dinge befinden, sondern auch, wo sie sein sollten: Wo sollten wir neue Geschäfte bauen? Wo sollten wir mehr Marketingausgaben tätigen? Wo sollten wir auf der Grundlage der lokalen Marktbedingungen neue Talente anwerben? Ich finde es toll zu sehen, wie umfassend unsere Technologie hier Entscheidungsgrundlagen schafft.
Thomas Kijftenbelt
Director Sales von Esri Deutschland
Könnt ihr unseren Leserinnen und Lesern zwei Beispiele nennen?
TK: Es gibt zweifelsohne viele faszinierende Anwendungsfälle. Standortdaten spielen überall eine Rolle – aktuell sind Themen wie New Work und COVID-19. Beispielsweise bei der Umstellung auf hybride Arbeitsmodelle und der Einhaltung von Abstandsregeln. So können mobile Apps Mitarbeitenden zeigen, wie hoch die Bürobelegung ist und wo es freie Schreibtische gibt. Indoor-Mapping hilft dann dabei, sich in Bürotagen zurechtzufinden, was wiederrum die Raumplanung und die Einhaltung von Social Distancing erleichtert.
JS: Aber auch außerhalb der Gebäude gibt es unzählige, wunderbare Beispiele. So helfen raumbezogene Analysen von Satellitenbildern und anderen Datenquellen im Kampf gegen die Klimakrise. Die USA und die EU setzen Satelliten ein, um den Anstieg des Meeresspiegels rund um den Globus zu messen und gleichzeitig atmosphärische Daten zu erfassen. Bessere Klimawandelmodelle und exaktere Wettervorhersagen werden möglich.
Wohin geht die Reise?
TK: Technologien zur Standorterfassung sind längst nicht mehr Exoten, sondern heute integraler Bestandteil im öffentlichen und privaten Sektor. Dieser Trend wird künftig weiter an Fahrt aufnehmen. Denn: Unternehmen erkennen zusehends das Potenzial räumlicher Datenanalysen für ihr Business. Ebenso werden Analysen dank Machine Learning einfacher und besser zugänglich.
JS: Dazu kommt: Der Markt bietet immer mehr Geodaten- und Analyseangebote, darunter Dienste zur Integration von Karten, Geofencing und anderen standortbasierten Funktionen in Web- und Mobilanwendungen. Das alles wird die kollektiven Analysemöglichkeiten von Unternehmen auf eine neue Ebene heben.
Diese Entwicklung freut mich persönlich natürlich ganz besonders. Seit dem Studium ist Geotechnologie meine Leidenschaft. Mit keinem anderen Tool lassen sich Zukunftsfragen auf Basis von Daten so umfassend und verständlich beantworten. Diese Möglichkeit ist heute, auch im Zuge der Klimakrise, wichtiger denn je. Deshalb widmen wir auch eines der drei Kernthemen unserer Vision der Nachhaltigkeit. Es macht mich stolz, auf Basis von GIS hier einen positiven Beitrag zu leisten.
Mit GIS eine nachhaltige Zukunft gestalten.
Nachdem wir uns mit Jürgen Schomakers und Thomas Kijftenbelt zu den Potenzialen moderner Geoinformationssysteme ausgetauscht haben, geht es im zweiten Teil unseres Interviews ans Eingemachte. Wir sprechen mit Roman Starý, Marko Prisky und Bernd Weißner über Entwicklungen, Anwendungsbeispiele und die Funktionsweise von GIS.
Marko, du bist für das Esri-Portfolio verantwortlich. Kannst du kurz für Nicht-GIS-Kenner erklären, wie moderne Geoinformationssysteme funktionieren?
Eine Geodatenanalyse besteht aus mehreren Schritten: Zunächst müssen passende Geodaten aus den relevanten Quellen erfasst und präzise harmonisiert werden. Nur wenn alle Daten räumlich korrekt zueinander referenziert sind, ist auch eine Weiternutzung hin zu qualitativen Analysen möglich. Dabei werden immer mehr Daten und Sensoren verfügbar, womit auch die Aktualität heute ein zentraler Parameter ist.
Anschließend geht es an die Analyse dieser Daten. Dabei können in der Durchführung sehr unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz kommen: Von Drohnendaten- und Bildauswertung über geostatistische Werkzeuge bis hin zu BigData-Analytics oder Echtzeitprozessierung von IoT-Sensordatenströmen. Die besondere Fähigkeit von GIS ist es, eine korrekte Modellierung und Auswertung der räumlichen Beziehungen und Verbindungen zwischen allen Daten aller Sensoren sicherzustellen.
Diese Erkenntnisse fungieren als Grundlage für operative oder strategische Entscheidungen.
Marko Prisky
Director Product and Portfolio Management bei Esri Deutschland
Worin liegen speziell die Stärken eines Systems wie ArcGIS?
Wenn ich eine Stärke von ArcGIS hervorheben muss, die mich besonders fasziniert, ist es die Funktionsvielfalt bzw. Adaptierbarkeit. So beantworten sowohl große Versicherungsunternehmen als auch Hilfsorganisationen oder Städte mit unserem System wegweisende Fragen. Die Themenfelder reichen von der Visualisierung von Umweltrisiken hin zur Modellierung neuer Gebäude und Infrastrukturprojekte bis zum Abbild eines komplett vernetzten digitalen Zwillings unserer Städte.
Bei so vielfältigen Einsatzfeldern spielen auch die Bereitstellungsoptionen eine zentrale Rolle. So gibt es ArcGIS in verschiedenen Varianten – in der Cloud, On Premises und als hybride Variante. Für unsere Kundinnen und Kunden sind dabei die Skalierbarkeit, Konfigurierbarkeit und Sicherheit von ArcGIS besonders wichtig.
Bernd, als Director Marketing gehört es zu deinem Daily Business, den Lösungen rund um GIS Reichweite zu verschaffen. Welche Erfolge und Entwicklungen freuen dich besonders?
Was mich persönlich fasziniert ist, dass die Verwendung von GIS-Technologien und Location-Intelligence-Anwendungen im Eiltempo in die breite Masse vordringen. Ich erlebe es in meinem privaten Alltag häufig, dass in Gesprächen mit Freunden und Bekannten unbewusst das Thema Location und GIS angesprochen wird. Ob aus der Perspektive eines Versicherungsunternehmers, einer Immobilienmaklerin oder eines Ratsmitglieds einer Stadt oder Kommune – Sie alle beschäftigen sich unbewusst mit Standortthemen, ohne die eigentlichen Einsatzmöglichkeiten von GIS zu kennen. Das zeigt, wie gefragt unsere Technologie ist – und zugleich, wie viel Potenzial noch besteht.
Bernd Weißner
Director Marketing bei Esri Deutschland
Der Bedarf ist da, aber nicht alle kennen die Potenziale von GIS. Wie unterstützt du dabei, diesen zu erfüllen?
Obwohl Esri eines der einflussreichsten Softwareimperien der Welt ist und kontinuierlich spannende Anwendungsbeispiele entstehen, hat unser Bekanntheitsgrad noch Luft nach oben. Unsere Mission ist es daher, „Esri und The Science of Where“ noch weiter populär zu machen; das heißt: Die Einzigartigkeit, Genialität sowie das Verantwortungsbewusstsein von Esri gegenüber den anderen Techgrößen kontinuierlich zu betonen.
Denn: Jeden Tag leistet unsere Technologie sowie die weltweite GIS Community einen wertvollen Beitrag zu etwas Positiven – sei es die professionelle Visualisierung von Covid– oder Klimadaten. Das dürfen wir der Welt nicht vorenthalten.
Roman, du bist für das Partnergeschäft zuständig. Wie hat sich die Partnerlandschaft verändert und was dürfen wir in den nächsten Jahren erwarten?
Seit geraumer Zeit beobachten wir eine Entwicklung hinsichtlich der Bedeutung von GIS für Behörden und Unternehmen: Die Abbildung räumlicher Beziehungen und deren Umsetzung in digitalen Abläufen sowie Angeboten ist nicht mehr beschränkt auf eine spezialisierte Fachabteilung (für GIS). Vielmehr wird die Location Strategy als umfassende Aufgabe für (fast) alle Abteilungen einer Organisation gesehen.
Marketing, Vertrieb, Kundenbetreuung und andere Departments profitieren von einer zielgerichteten Umsetzung dieser Strategie. Und das bietet wiederum neue Möglichkeiten für unsere Partner, ihre Expertise rund um GIS erfolgreich mit ihren Kundinnen und Kunden zusammen in Wert zu setzen.
Roman Starý
Director Partners and Programs bei Esri Deutschland
Kannst du unseren Leserinnen und Lesern noch verraten, wie ein erfolgreicher Start mit GIS gelingt?
Die richtige und zielgerichtete Umsetzung einer Location (Geospatial) Strategy bringt für Anwender:innen aus allen Bereichen erhebliche und betriebliche Wettbewerbsvorteile, denn der Ortsbezug spielt in fast allen existierenden Abläufen und Planungen eine wesentliche Rolle. Ein systematisches Vorgehen ist für Unternehmen unabdingbar.
So lohnt es sich zuerst einmal zu analysieren, bei welchen Fragen im Unternehmen räumlich relevante Aspekte und Abhängigkeiten eine Rolle spielen – also wo Führungskräfte bestehende Abläufe und Angebote durch eine verbesserte Abbildung und Berücksichtigung räumlicher Beziehungen optimieren können. Das Durchdenken von möglichen Anwendungsfällen kann bereits Klarheit schaffen.
Darüber hinaus empfehle ich größeren Organisationen, ein Team aufzubauen, das sich dem Thema Geodaten bzw. der Location Strategy widmet. Je nachdem, wie tief ein Unternehmen die Geodatenanalyse in die alltäglichen Abläufe integrieren will, könnten die Verantwortlichen die Einrichtung eines Geospatial Center of Excellence oder eines Geospatial Information Officer in Erwägung ziehen.
Wichtig dabei ist: Unternehmen sind bei der Umsetzung einer Location Strategy nicht allein – sowohl unser Partnernetzwerk als auch wir bei Esri unterstützen rundum.
Das Interview führte Wolfgang Emmer.