Wie können Landwirte die Ernte optimal planen? Eine genaue Ertragsschätzung ist eine wertvolle Entscheidungshilfe. Durch die Nutzung von Radardaten und einem Vegetationsindex (ESVI) lässt sich ein Modell entwickeln, das zuverlässige Flächenerträge schon zwei Monate vor der Ernte schätzen kann.
Der Landwirt Johann sitzt am Küchentisch und studiert aufmerksam die Wettervorhersage. Er muss entscheiden, wann er mit der Ernte seiner Weizen-, Raps- und Gerstefelder beginnen kann. Eine zu frühe Ernte bedeutet möglicherweise geringere Erträge und damit auch weniger Einnahmen. Zu lange warten kann jedoch zu Qualitätsverlusten führen und höhere Kosten bei der Lagerung und Logistik verursachen. Johann weiß, dass eine genaue Ertragsschätzung eine wertvolle Entscheidungshilfe sein kann. Sie kann ihm helfen, die richtige Balance zu finden und seine Ernte optimal zu planen.
Es liegt auf der Hand: Eine verlässliche und frühzeitige Ertragsschätzung ist für den Agrarsektor von entscheidender Bedeutung. Sie unterstützt Landwirte bei Entscheidungen hinsichtlich Verkauf, Einlagerung und Logistik. Versicherungsunternehmen nutzen sie zur Ermittlung der Versicherungsprämie. Darüber hinaus trägt sie maßgeblich zur Ernährungssicherheit der Bevölkerung bei.
Daten geben Antworten
Für einen landwirtschaftlichen Betrieb in Thüringen wurde auf Basis von historischen Ertragsdaten und einem Vegetationsindex (ESVI) ein Modell entwickelt. Dieses ermöglicht Flächenerträge verlässlich zu schätzen – und zwar bereits über zwei Monate vor der Ernte. Das lässt den Anwendern genügend Spielraum, um ihre Planungen rechtzeitig umzusetzen.
Da der Vegetationsindex aus Satellitendaten abgeleitet wird, ist es von entscheidender Bedeutung, dass dieser Satellit zuverlässig Daten in gleichbleibender Qualität liefert. Der Sentinel-1 Satellit erfüllt diese Anforderungen, da er unabhängig von der Bewölkung und dem Tageslicht arbeitet und seine Messungen auf einem Radarsignal basieren. Es handelt sich hierbei um einen sogenannten aktiven Satelliten, der sein Signal immer aus derselben Richtung und mit derselben Intensität auf die Erde schickt, um anschließend die Rückstreuung dieses Signals zu erfassen.
Die Sentinel-1 Satelliten fliegen regelmäßige Bahnen über die Pole, die sich alle 12 Tage wiederholen. Bei jedem Überflug decken sie einen Streifen von 240 km mit einer Auflösung von 20×20 Metern ab. Das Signal liefert Informationen über die Struktur und Feuchtigkeit des Bewuchses, was wiederum Rückschlüsse auf die frische Biomasse zulässt.
Der ESVI bildet diese Wachstumsentwicklung ab und mit einem Ertragsmodel, lässt sich daraus eine Ertragsprognose ableiten.
Ertragsvorhersagen schon ab Mitte April
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Modell über alle Jahre von 2018 bis 2022 stabil zu sein scheint. Auch wenn einzelne Flächen als Ausreißer auffallen, sind die Durchschnittswerte über alle Flächen einer Kulturart nahe am tatsächlich gemessenen Ertrag. Ertragsvorhersagen lassen sich bereits Mitte April machen und haben eine hohe Genauigkeit von Anfang Mai bis Mitte Juni.
Die Zahlen in der Tabelle zeigen die prozentuale Abweichung des modellierten Ertrags vom tatsächlichen Ertrag. Ein Wert von 103 bedeutet, dass das Modell den Ertrag um 3 Prozent überschätzt hat.
Mit der Standardabweichung kann man eine Aussage über die Güte der Prognose treffen. Es zeigt sich, dass eine Vorhersage in der ersten Mai-Hälfte in zwei von drei Jahren um weniger als zehn Prozent vom tatsächlich gemessenen Ertrag abweicht. Für den Zeitraum von 20 Jahren gilt, dass der vorhergesagte Ertrag vermutlich nur einmal um mehr als 20 Prozent vom tatsächlichen Ertrag abweicht.
Mit ArcGIS Insights Prognosen visualisieren
In ArcGIS Insights ist bereits ein Werkzeug integriert, das es dem Nutzer ermöglicht, solche Ertragsprognosen auf Basis des ESVI selbst zu erstellen. Mit diesem Werkzeug kann der Landwirt während der Saison die entsprechenden Auswertungen für seine Flächen durchführen und die Ergebnisse direkt visualisieren. So kann er auf einen Blick den Wachstumsverlauf aller Flächen analysieren.
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Weitere Vorhersagen möglich
Da der Satellit in einem regelmäßigen Zyklus weltweit Daten aufnimmt, können diese Vorhersagen auch für andere Regionen und Pflanzenkulturen gemacht werden. Dazu sind weitere Kalibrierungen notwendig, um den regionalen Gegebenheiten gerecht zu werden.
Autor
Dietrich Heintz
ist bei Cropix für GIS und Remote Sensing zuständig.