Während sich Führungskräfte in der Wirtschaft auf Energieverbrauch, Emissionen und Nachhaltigkeit konzentrieren, übersehen sie nach Ansicht von Experten die größte wachsende Bedrohung: Wasserknappheit. Mit GIS lassen sich die Risiken an Unternehmensstandorten abschätzen und ihre Auswirkungen auf den Betrieb reduzieren.
Ende 2021 bezeichnete das US-Finanzdienstleistungsunternehmen S&P Global die Wasserknappheit als die größte Bedrohung für die Unternehmenswerte in den kommenden Jahrzehnten – größer als Wirbelstürme, Waldbrände und andere Gefahren. Laut einer McKinsey-Analyse wird die Wassernachfrage bis 2030 das weltweite Angebot um 40 Prozent übersteigen, und die Hälfte der Menschen wird in Regionen leben, in denen Wasser knapp ist.
Ein geografisches Informationssystem (GIS) unterstützt Unternehmen bei der Herausforderung, das Risiko von Wassermangel und die Auswirkungen auf den eigenen Betrieb und die Partner zu durchleuchten. Denn mit einem GIS und Location Intelligence lassen sich relevante Daten in einem standortbezogenen Kontext erfassen und analysieren.
Wasser-Management: Alle Schlüsselkomponenten im Blick
Mit einer GIS-basierten intelligenten Karte, auf der die internationalen Aktivitäten eines Unternehmens verzeichnet sind, können Unternehmen Schlüsselkomponenten des Wassermanagements erfassen und visualisieren: Daten über den Grad der globalen Erwärmung, Überschwemmungsrisiken, Sturmüberflutungen, Wasserqualität, Entwässerung, den Grundwasserstatus oder die Intensität von Dürren.
Ohne diesen Überblick drohen Fehlinvestitionen. Denn Location-Intelligence-Informationen führen zu einem anderen Verständnis über Preis und Produktivität von Wasser. So mag die Stromrechnung eines Unternehmens niedrig ausfallen – die Kosten für den Bau einer Textilfabrik in einer Region, in der Wasserknappheit den Betrieb in wenigen Jahren lahm legen könnte, machen alle Einsparungen zunichte.
Taiwan: Wassermangel stoppt Produktion
In einigen Regionen sind wasserbedingte Störungen keine drohende Gefahr, sondern haben reale Auswirkungen auf den globalen Handel. Als Taiwan im Jahr 2021 von der schlimmsten Dürre seit einem halben Jahrhundert heimgesucht wurde, legte sie die Halbleiterindustrie des Landes vorübergehend lahm. Das verschärfte die Versorgungsprobleme der Autoindustrie weiter und unterstrich die Notwendigkeit des Wassermanagements. An einem typischen Tag verbraucht eine Chip-Produktionsanlage bis zu 4 Millionen Liter Reinstwasser, das gefiltert werden muss, um Partikel zu entfernen und die Bauteile dann zu reinigen. In Taiwan waren die Hersteller gezwungen, das Wasser zu rationieren; der weltgrößte Auftragsfertiger von Chips begann sogar damit, Wasser in LKW-Ladungen zu kaufen.
Die Lieferketten wurden in ähnlicher Weise erschüttert, als eine Hitzewelle im Jahr 2018 den Wasserstand des Rheins, einer unserer wichtigsten Schifffahrtsrouten, senkte. Frachtunternehmen reduzierten ihre Ladung oder stellten den Transport ganz ein, was Produktionen zum Stillstand brachte und Herstellungskosten in die Höhe trieb.
GIS verfolgt den Zustand der Wasserressourcen
Moderne GIS-Technologie sammelt, analysiert, setzt Daten aus zuverlässigen Quellen in Kontext und erstellt so einen leicht zugänglichen Atlas der Welt. Verantwortliche in Unternehmen können beispielsweise auf Basis von Karten mit Satellitenbildern, die Veränderungen der Wasserreservoirs im Laufe der Zeit zeigen oder mit Sensormessdaten die Verfügbarkeit von Wasserressourcen in einer Region abschätzen, um den lokalen Wasserstress zu beurteilen. So lassen sich Orte mit höchster Priorität einstufen, die nächsten Maßnahmen festlegen und die Auswirkungen mithilfe von Dashboards oder intelligenten Karten überwachen.
Bevor Unternehmen ihre Wasserbewirtschaftung verbessern können, müssen sie zunächst in der Lage sein, die von ihnen verbrauchte Wassermenge zu messen. Um diese Frage umfassend zu beantworten, ist ein ausgeprägtes Verständnis für den geografischen Kontext erforderlich. Um genau zu wissen, woher das Wasser kommt und wohin es fließt, nachdem es genutzt wurde, muss die gesamte Betriebskette betrachtet werden: vom globalen Hauptsitz bis zu den Tier-3-Lieferanten.
Dabei findet der Großteil des Wasserverbrauchs oft außerhalb des direkten Blickfelds des Unternehmens statt. Im Fall eines Bekleidungseinzelhändlers fand McKinsey beispielsweise heraus, dass bis zu 90 Prozent des Wasserverbrauchs in der Lieferkette auf Unterlieferanten entfallen. Der eigene Betrieb des Einzelhändlers trägt nur rund 1 Prozent bei.
Drei entscheidende Fragen
Vorausschauende Unternehmen werden die Ressource Wasser verstärkt in ihre Entscheidungen mit einbeziehen.
Laut Charles Fishman, Journalist und Autor von The Big Thirst: „Das geheime Leben und die turbulente Zukunft des Wassers“, müssen sich Unternehmen drei entscheidende Fragen stellen:
- Wie viel Wasser verbrauchen wir bei jedem Schritt?
- Wofür verwenden wir dieses Wasser?
- Woher kommt das Wasser und wohin geht es, wenn wir es verbraucht haben?
Die meisten Unternehmen kennen die Antworten auf diese grundlegenden Fragen nicht, so Fishman. Dieser Mangel an Transparenz darüber, wie und wohin das Wasser in der Lieferkette fließt, kann ein Unternehmen einem ernsthaften Risiko aussetzen. So können beispielsweise die Einsparungen, die ein Lebensmittelhersteller durch die Reduzierung des Wasserverbrauchs in seinen Fabriken erzielt durch den übermäßigen Wasserverbrauch seiner Geschäftspartner zunichte gemacht werden.
Standortkenntnis ist gefragt
Ein führender amerikanischer Konsumgüterkonzern wählt einen geografischen Ansatz zur Bewertung des Wasserrisikos in seiner gesamten Lieferkette. Die Produktionsbetriebe des Unternehmens, die jährlich Millionen von Kubikmetern Wasser verarbeiten, benötigen Zugang zu sauberem Wasser.
Mit GIS verfügen die Führungskräfte des Unternehmens über Karten und Informationen über die weltweit mehrere hundert Zulieferer und Fabriken, die zu den Produkten des Unternehmens beitragen, zusammen mit detaillierten Informationen über das lokale Wasser- und Klimarisiko. Dieses hohe Maß an Standortkenntnis ermöglicht es den Führungskräften in der Produktion, wassergefährdete Gebiete zu kennzeichnen und Szenarien zur Risikominderung zu ermitteln, einschließlich der Verlagerung von Anlagen. Die Karten dienen auch als wichtige Hilfsmittel zur Kommunikation der Ergebnisse mit den Interessengruppen, einschließlich der Öffentlichkeit.
Soll der Betrieb in einem wasserarmen Gebiet aufrechterhalten werden, bietet sich die kooperative Nutzung an. Unternehmen können sich mit nahegelegenen Firmen – sogar mit Konkurrenten – zusammenschließen, um die lokale Wasserinfrastruktur zu entlasten, indem sie die Nutzungsmuster ändern oder Wasser recyceln. Standortinformationen fördern diese Art von Win-Win-Situation, da sie potenzielle Partner für eine gemeinsame Nutzung in einem Markt identifizieren.
Analyse der Ressourcennutzung
Sobald ein Unternehmen den geografischen Kontext der Wassernutzung kennt, folgt die Analyse des eigenen Verbrauchs. Viele Betriebe kühlen, erhitzen, verdampfen, entsorgen oder filtern Wasser je nach Bedarf – Prozesse, die alle mit Kosten verbunden sind.
Mit Hilfe von Sensoren und Innenraumdaten können Facility Manager den Wasserverbrauch in Gebäuden und Fabriken verfolgen. Genauso wie GIS Gebäudemanager in die Lage versetzt, den Energieverbrauch in Büros oder die Sicherheit von IT-Anlagen zu überwachen, können damit auch Muster von Wasserüberschüssen oder Möglichkeiten zum Recycling identifiziert werden.
Fazit
Die Ressource Wasser kann aus Gebieten verschwinden oder Überschwemmungen verursachen – die Risiken hängen weitgehend vom Standort ab. In den kommenden Jahren wird GIS zum unverzichtbaren Instrument, diese Dynamik zu verstehen, als verantwortungsvolle Verwalter zu handeln und das Beste aus jedem Tropfen zu machen.
Mit kartenbasierten Technologien und Location Intelligence die Klimaziele erreichen.
Dieser Beitrag erschien in seiner englischsprachigen Originalfassung zuerst im WhereNext von Esri Inc.