GIS und BIM sind Themen, die auch an der Polizeiakademie Niedersachsen Anklang finden. Dirk Volkmann, Dozent im Studiengebiet der Kriminalwissenschaften, verrät im Interview, wie der aktuelle Stand an der Polizeiakademie zu GIS (Geoinformationssysteme) und BIM (Building Information Modeling) aussieht.
Dirk Volkmann, Dozent an der Polizeiakademie Niedersachsen
Herr Volkmann, welche Rolle spielt GIS & BIM aktuell bei der Polizeiarbeit?
Aktuell wird GIS bei den Polizeien der Länder häufig beim Einsatzmanagement, Hot-Spot-Analysen, Crime Mapping aber auch für Predictive Policing (PP) genutzt. Der Einsatz in der polizeilichen Arbeitswelt sollte aber nicht ausschließlich auf diese Anwendungsbereiche bzw. Visualisierungen beschränkt werden. Denn GIS kann auch BIM-Modelle – also Gebäudepläne – und viele weitere Informationen wie Umgebungsdaten zusammenbringen. Damit entstehen durchgängige Workflows bei Fallanalysen.
Ist die Polizei fit für die 4.0-Ära?
Ja. Die zunehmende Digitalisierung und der steigende Automatisierungsgrad durch neue Technologien prägen immer mehr die tägliche Polizeiarbeit. Gleichzeitig verändern sich die Qualifikationsanforderungen an die polizeiliche Sachbearbeitung: Das Konvertieren, Modellieren und Analysieren von Daten sowie Informationen, stellenweise auch Programmierkenntnisse, gehören immer mehr zum Arbeitsalltag. Routine-Tätigkeiten lassen sich so zunehmend vereinfachen. Zum polizeilichen Einsatz- und Ermittlungsmanagement zählen heute beispielsweise auch die digitale Fallanalyse mit Raumbezug oder die täterreflektierte Mobilitätsanalyse.
Welche Geräte und Daten werden dabei genutzt?
Im Grunde sind ja alle mobilen Digitalgeräte mit einem GPS-Empfänger ausgestattet. Und die Positionsbestimmung mittels Satelliten gehört quasi zur Standardfunktionalität. Sukzessive kommen Smart Homes oder IoT-Geräte mit GNSS-Empfänger dazu. Bei allen Polizeien könnte die Registrierung georeferenzierter Informationen in der Vorgangs- und Fallbearbeitung standardisiert werden.
(GNSS = Globales Navigationssatellitensystem)
Was sind die Herausforderungen?
Eine große Herausforderung bei der Tatortarbeit – vor allem mit innenliegendem Bezug – stellt die Positionsbestimmung in Echtzeit dar, die sogenannte Echtzeitkinematik bzw. Real Time Kinematik. Durch Abschirmungen wird das GNSS-Signal der IoT-Devices verzerrt wiedergegeben. Es wäre eine Korrektur in Echtzeit durch ein geodätisches Messverfahren oder durch entsprechendes Equipment erforderlich. Damit wären die Indizien und Beweise des objektiven Befundes von einem lokalen in ein globales Koordinatensystem organisiert und visualisiert. Das entspricht der neuen Strategie „Polizei 2020“.
Aus diesem Grund gewinnt gerade das Interesse an digitalen 3D-Verfahren insbesondere der 3D-Stereo-, AR- oder VR-Technik an Bedeutung. Die präzise Visualisierung dient immens der polizeilichen Arbeits- und Entscheidungsprozesse.
Was verbirgt sich hinter der Strategie Polizei 2020 und was setzt sie voraus?
Basis ist die Rahmenvereinbarung zur Umsetzung der digitalen Transformation „Polizei 20/20“ – Referenznummer ZIB 21.25 – 0814/21/VV:1. Darin verankert sind die Ziele der Vereinheitlichung und Harmonisierung des gesamten Informationswesens der deutschen Polizeien. Langfristig sollen gleiche Standards von allen Polizeien des Bundes und der Länder verwendet werden. Dies setzt eine moderne und einheitliche Informationsstruktur voraus. Sie soll mehrere Bereiche umfassen, darunter Konzeptions- und Planungsleistungen zur Herstellung eines Datenhaus-Ökosystems und Leistungen bei der Transformation zum Zielbild 2030. Damit ist GIS erstmals als Querschnittstechnologie kommuniziert worden.
Welche Maßnahmen sollten am dringlichsten realisiert werden, damit Innovationen nicht nur der Polizeiakademie vorbehalten bleiben, sondern den Arbeitsalltag der Polizei unterstützen?
Die Effizienz und Effektivität der georeferenzierten 3D-Verfahren im polizeilichen Kontext hängt im entscheidenden Maß von der Datenqualität und somit von einem funktionierenden Qualitäts-, Wissens- und Kommunikationsmanagement ab. Die Implementierung und Manifestierung der GIS- und BIM-Methoden kann wesentlich zu problemorientierten Lösungen beitragen. Dabei müssen Datenkonsistenz und -integration automatisierte Workflows gewährleisten und Standard werden. Ein Beispiel: Bei einer digitalen Cold-Case-Analyse werden direkte und indirekte Daten sowie Informationen erhoben und ausgewertet.
Was zeichnet die Forschung, in der Sie an der Akademie neben der Lehre auch tätig sind, aus?
Mit dem Forschungsprojekt „GIS, BIM & Geoinformatik bei der Polizei“ nimmt die Polizeiakademie Niedersachsen im bundesweiten Vergleich als polizeiliche Aus- und Fortbildungseinrichtung eine Vorreiterrolle in dem Themenkomplex GIS & BIM ein. Insbesondere die Überprüfung des subjektiven Befundes in Echtzeit und unter Zuhilfenahme eines 3D-Modells mit Raumbezug charakterisiert einen Quantensprung in der polizeilichen Ermittlungstätigkeit. Gerade die An- und Herausforderungen, die die polizeiliche Strategie mit sich bringt, bilden das Fundament der zukünftigen Polizeiarbeit.
Wie sieht die Zukunft in Sachen GIS & BIM bei der Polizei aus?
Mit der Digitalisierung wird sich auch die GIS- und BIM-Methode mit Lean-Management, also die kontinuierliche Prozessoptimierung, breitflächig in den polizeilichen Arbeitsabläufen finden. Nicht zuletzt forciert durch die Strategie P2020. Das fordert einen Paradigmenwechsel. In der Praxis wird er nicht abrupt funktionieren, vielmehr sollte er in aufeinander abgestimmten Stufen realisiert werden. In Zukunft wird sich sowohl GIS und BIM als auch das progressive Datenqualitäts-, Kommunikations- und Wissensmanagement dauerhaft in der Polizeiarbeit etablieren. Und: Nicht zuletzt wird sich das auf die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der ganzen Organisation auswirken.