Auf dem Weg zur vernetzten Feuerwehr gibt es noch einige Hürden zu meistern. Doch am Konzept Feuerwehr 4.0 führt kein Weg vorbei.
Sven Dunkel ist Sachgebietsleiter der Nachrichtentechnik & Gefahrenabwehrmeldeanlagen der Branddirektion Frankfurt sowie Leiter des Referates 7 – Informations- und Kommunikationstechnik – in der vfdb.
Im Interview mit WhereNext verrät er, welche Möglichkeiten die Digitalisierung der Feuerwehr ermöglicht und nennt Praxisbeispiele.
Herr Dunkel, warum sollten Einsatzkräfte immer vernetzter zusammenarbeiten – Stichwort ‚Feuerwehr 4.0‘?
Die heutige Zeit stellt uns vor die Aufgabe, immer vernetzter zusammenarbeiten zu müssen. Hierbei muss eine Vielzahl von Daten über örtliche Belange zwischen den Einsatzkräften ausgetauscht werden. Diese Datenmenge muss strukturiert gemanagt werden, um diese sinnvoll und zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen zu können.
Welche Maßnahmen müssen Ihrer Meinung nach am Dringlichsten realisiert werden, damit wir in Deutschland tatsächlich von einer gelebten Feuerwehr 4.0 im Arbeitsalltag sprechen können?
Grundsätzlich stehen wir vor dem Problem, dass die Zuständigkeiten und damit die Datenhoheit in unserem föderalen System sehr heterogen geregelt sind. Zum einen sind die Feuerwehren als kommunale Einrichtung für die örtlichen Belange in ihrer Kommune zuständig, zum anderen wird gerade die Feuerwehr zunehmend auch zu überörtlichen Einsätzen in Nachbarkommunen und sogar in andere Bundesländer herangezogen.
Die Waldbrände im Jahr 2019, bei denen deutsche Feuerwehren im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsverfahrens im Katastrophenschutz ebenfalls im Ausland eingesetzt wurden, hat aufgezeigt, dass lokales Denken zunehmend kontraproduktiv ist.
Von den Verantwortlichen muss der Weg beschritten werden, gemeinsame Datenzugriffspunkte zu schaffen und Festlegungen für die Datenstandards zu machen. Hierbei gilt es nicht, neue Standards zu entwickeln, sondern vielmehr vorhandene internationale Standards zur Anwendung festzulegen.
Mit welchen Hürden müssen Ihre Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg in die vernetzte Welt rechnen?
Gerade durch die kommunale Organisation der Feuerwehren ist das Vernetzen eine erhebliche Herausforderung. Die lokalen Vorgaben stellen dabei oftmals einen Stolperstein dar, da diese im Sinne der allgemeinen Verwaltung die Belange der Feuerwehren nicht berücksichtigen können.
Wo bei der Verwaltung und dem allgemeinen Bürobetrieb gerade Datensicherheit im Vordergrund steht und man isoliert arbeiten will, muss die Feuerwehr einen regen Datenaustausch betreiben. Dies dürfte eine der größten Herausforderungen der Zukunft darstellen.
Haben Sie Tipps, wie wir diese Hürden überwinden können?
Zuerst ist es einmal wichtig, dass man sich untereinander austauscht. Weiterhin muss eine Einigung auf die Datenstandards erfolgen. Sicher kann man sich auf Cloud-Lösungen stürzen, hierbei müssen aber gerade auch das Thema Datensicherheit und Zugriffsrechte beleuchtet werden. Auch wenn ein reger Datenaustausch notwendig ist, werden hier immerhin sensible Daten von teilweise kritischen Infrastrukturen (z.B. Wasserleitungsnetze, Gasleitungsnetze) verwendet.
Es gilt für die Zukunft die klugen Köpfe der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes für das Thema Geoinformation zusammenzubringen, um die Möglichkeiten und Ideen untereinander auszutauschen. Einen ersten Schritt hierzu haben wir im Referat 7 der vfdb bereits beschritten und haben 2016 eine Arbeitsgruppe Geodateninfrastruktur gegründet. Hier werden Erfahrungen und Ideen ausgetauscht und Anwendungsfälle diskutiert. Erste Merkblätter für die Nutzung von Geodaten sind auf der Zielgeraden und werden demnächst veröffentlicht.
„Die klugen Köpfe der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes müssen an einen Tisch.“
Sven Dunkel, Leiter des Referates 7 in der vfdb
Können Sie anhand von praxisnahen Beispielen die Möglichkeiten der vernetzen Zusammenarbeit in der Feuerwehr 4.0 erläutern?
Als das Beispiel einer Zusammenarbeit ist die gemeinsame Nutzung von Lageinformationen bei bereichsübergreifenden Einsätzen anzusehen. Nicht nur die allgemeinen Ort- und Routinginformationen müssen hier bereitstehen. Auch sollten Geoinformationen je nach Einsatzauftrag bereitgestellt werden. Ein prägnantes Beispiel ist die Bereitstellung von Informationen über die Befahrbarkeit von Straßen und Wegen bei Hochwasserlagen.
Bleiben wir beim Thema Hochwasser, ist auch der Austausch über notwendige Maßnahmen und Lageeinschätzungen über die eigenen Zuständigkeitsgrenzen als wertvoll anzusehen. Somit können Einsatzschwerpunkte und Einsatzmaßnahmen noch optimaler aufeinander abgestimmt und verfügbare Ressourcen geschont und effizient eingesetzt werden.
In Ihrer Heimatstadt Frankfurt sind Sie auch als dauerhaftes Mitglied im AK Geodateninfrastrukturen aktiv. Welchen Stellenwert nehmen Ihrer Meinung nach Geodaten bei der vernetzten Zusammenarbeit ein?
Die Vernetzung von Geodaten stellt im alltäglichen Wirken von Kommunen einen erheblichen Gewinn dar. Werden derzeit an vielen Stellen noch Listen in unterschiedlichen Formaten geführt, ist man mit den Geodaten in der Lage, wichtige Informationen an „Ort und Stelle“ zusammenzuführen und wichtige Grundlagen für Entscheidungen bereitzustellen. Hierbei gilt der Grundsatz „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ womit die Informationen auf einer Karte dargestellt werden können.
Durch die Zuständigkeit der Ämter kann gewährleistet werden, dass die Daten auf einen aktuellen Stand sind. Die ergänzende Datenaufbereitung und Datenpflege durch weitere Datennutzer kann entfallen. Das spart wertvolle Personalressourcen und schafft Freiräume für weitere Aufgaben. Als wichtiges Element erachte ich, dass gerade die Veranschaulichung von Zusammenhängen es den Verantwortlichen erleichtert, die Situation zu überblicken und somit eine ausgewogene Entscheidung zu treffen.