Die Umwelt verändert sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Den Geowissenschaften kommt deshalb eine zukunftsweisende Bedeutung zu: Sie stellen die Weichen, um Zusammenhänge zu verstehen, Prognosen zu erstellen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Besonders die Potenziale von Geoinformationssystemen sind in diesem Kontext weitreichend.
Ein Beitrag von Monika Rech-Heider
Staubtrockene, rissige Böden soweit das Auge reicht, ausgetrocknete Flusstäler und verkümmerte Nutzpflanzen auf den Äckern in Spanien, Portugal, Frankreich und Italien. In Südtirol reißt ein Gletscherabbruch Menschen in den Tod. Der Borkenkäfer dezimiert unnachgiebig Europas Nadelwälder, und in Griechenland verheeren wie in den Jahren zuvor Waldbrände die ausgedorrte Landschaft. Der Pressedienst von Europas Satellitenprogramm Copernicus meldet 2022 den drittheißesten Juni seit Beginn der Aufzeichnungen – weltweit 0,31 Grad Celsius wärmer als der Durchschnitt zwischen 1991 und 2020. Mitte Sommer 2021 beherrschte nur ein Thema die Medien: Die „Jahrhundertflut” verwüstete Dörfer und Städte entlang der Flüsse in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Am 14. Juli 2022 jährte sich das Hochwasserereignis, das nach Starkregenfällen mehr als 180 Menschen mit sich riss und Milliardenschäden verursachte. Noch heute kämpfen die Bewohner:innen entlang von Ahr und Erft mit den Folgen der Flut. Die Reihe an Verheerungen, die man als Klimafolgen interpretieren muss, ließe sich fortsetzen.
Mit jeder Hiobsbotschaft und mit den wiederkehrenden, eindringlichen Appellen des Weltklimarats wird deutlicher, welch elementaren Beitrag Geowissenschaften bei Beobachtung, Analyse, Prognose und vor allem Anpassung an weltweite klimatische Veränderungen leisten können.
Ein Digitaler Zwilling der Erde
Daniela Wingert vom Technologie- und GIS-Anbieter Esri ist Expertin in diesem Bereich. Als Teamleiterin Bildung und Hochschule und Verantwortliche im Bereich Non-Profit-Organisationen sowie Disaster Response beschäftigt sie sich Tag für Tag damit, wie Geoinformationen dabei unterstützen, den Planeten Erde besser zu verstehen. „Die teilweise drastischen Veränderungen oder konkreten Ereignisse abzubilden, ermöglicht es unserer Gesellschaft, angemessen auf neue Situationen zu reagieren“, so die Vermessungsingenieurin. Die gesellschaftliche Aufgabe von Geowissenschaftler:innen wächst in diesen Zeiten immens.
Das wird deutlich, wenn Daniela Wingert von den Esri-Aktivitäten berichtet. Esri arbeitet daran, mit seiner Technologie und im Zusammenspiel mit der gesamten Branche einen „Digital Twin Earth“ aufzubauen. Dieses digitale Abbild der Erde wird mit Daten aus allen Kanälen gefüttert, um Verständnis und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Fernerkundung, Sensordaten, Crowd-basierte Informationen, Drohnendaten – alle Informationen werden weltweit in den Environmental Twin gespeist, um sich vorzubereiten auf das, was kommt.
Fragen, die Geowissenschaftler:innen auf der ganzen Welt mit Technologie von Esri beantworten wollen, sind vielfältig:
- Wie kann man der zunehmenden Abholzung gegensteuern?
- Wie antworten wir möglichst effizient auf natur- oder menschengemachte Katastrophen?
- Wie lässt sich das Absterben heimischer Wälder verlangsamen und wie stellen wir den Wald auf höhere und mittlere Temperaturen und Hitzephasen ein?
- Wie verstehen wir die Zusammenhänge und Bewegungsmuster der Ozeane besser?
Überblick gewinnen
Auf Basis von ArcGIS-Technologie will Esri seinen Beitrag leisten, um aus der Welt eine aktiv handelnde Gemeinschaft zu machen.
Im ArcGIS Living Atlas of the World führt das Unternehmen die mittlerweile weltweit größte Sammlung geowissenschaftlicher Informationen in Form von Karten, Daten, Apps und Layern zusammen und stellt sie der internationalen Community aus Wissenschaft und Forschung kostenlos bereit. Die Sentinal-Daten zur Landbedeckung sind darin genauso ein Bestandteil wie die weltweite Topographie und Bathymetrie oder die Ecological Marine Units.
Der wahrscheinlich wichtigste Digitale Zwilling dreht sich in diesem Zusammenhang derzeit um Fragen zu Umwelt, Ökosystemen, Natur, Klima und Ozeanen. „Dank der Erdbeobachtung verfügen wir über gigantische Datenmengen und immer bessere Aktualisierungsraten. Durch Sensoren an Land und auf See sind die Ökosysteme unseres Planeten bestens überwachbar. Doch auch aus all diesen Daten müssen mit Analysewerkzeugen zunächst nutzvolle Informationen generiert werden“, so Daniela Wingert.
Change Detection auf Basis Künstlicher Intelligenz macht auf kritische Veränderungen aufmerksam. Der Digital Twin Earth ist somit Grundlage für Naturschutz, Nachhaltigkeitsprogramme, Wissenschaft sowie Forschung und dient beispielsweise der Landwirtschaft zur Verbesserung der Flächenbewirtschaftung. Er hilft Umweltverschmutzungen zu verstehen, Tierarten zu über- wachen und zu schützen. Auch für das Management von Natur- parks und zur Steuerung von Aktivitäten für mehr Nachhaltigkeit kann der Environmental Twin eingesetzt werden.
Disaster Response
Am Beispiel der Überschwemmungen im Ahrtal wird deutlich, wie wichtig der Faktor Zeit ist. Denn Hilfsorganisationen erhielten innerhalb weniger Stunden nach dem Ereignis Luft- und Satellitenbildmaterial, das einen präzisen Überblick über die Situation und das Ausmaß der Schäden erlaubte.
Ergänzend zu den bereitgestellten Informationen ist der Living Atlas ein Schlüsselfaktor zu den schnellen und erfolgreichen Reaktionen bei Katastrophen wie Sturzfluten, Erdbeben und Waldbränden. Die zahllosen Helferinnen und Helfer konnten, initiiert durch das Esri Disaster Response Program, Crowd-basiert Informationen über Schäden in das System einspeisen, sodass mit Hilfe des entstehenden Lagebilds auf dem Dashboard der Gemeinden die Verantwortlichen Entscheidungen treffen und Maßnahmen koordinieren konnten:
Forstwirtschaft in Deutschland
Der Landesbetrieb HessenForst setzt auf rasche Kommunikation durch Vernetzung der Forstmitarbeitenden. Mit der mobilen Borkenkäfer-App stehen die Forstleute in direktem Austausch miteinander. Ist ein Borkenkäferbefall identifiziert, initiieren sie sofort die notwendigen Maßnahmen, um die Ausbreitung zu verhindern. Die befallenen Gebiete werden isoliert, die Bäume gefällt und abtransportiert.
Mithilfe weiterer Tools wie ArcGIS Dashboard und ArcGIS Insights lassen sich die Schadensereignisse räumlich und auf einer virtuellen Steuerungsplattform (Dashboard) visualisieren und interpretieren. Die Forstverwaltung erfährt so visuell aufgeschlüsselt und leicht verständlich, wann und wo Schäden entstanden sind und welche betriebswirtschaftlichen und strategischen Entscheidungen abzuleiten sind.
Umwelt- und Klimaschutz standen schon seit Beginn der Gründung von Esri weit oben auf der Agenda des Unternehmens. „Wir arbeiten weltweit mit Wissenschaft, Politik und gemeinnützigen Organisationen zusammen, um die weißen Flecken in unserem Wissen zu tilgen und um die Zukunft für unseren Planeten und unsere Gesellschaft positiv mitzugestalten“, so Daniela Wingert.
Meinen Abschluss als Vermessungsingenieurin der Hochschule für Technik und Wirtschaft (FH) Dresden in der Tasche, führte mich die Abenteuerlust nach Boulder, Colorado. Durch die Arbeit in einem örtlichen Vermessungsbüro lernte ich Land und Leute kennen. Zurück in Deutschland startete ich bei Esri und war unter anderem im Regionalvertrieb Norddeutschland sowie dem Account Management für Versicherungsunternehmen tätig. Seit dem 1. Mai 2016 bin ich Teamleiterin Bildung und Wissenschaft. Im Sommer 2019 erweiterte sich meine Verantwortlichkeit um die Themenfelder NPOs und Disaster Response. Gemeinsam mit meinem Team sind wir Ansprechpartner für GIS-Nutzende aus dem Umfeld der Schulen, Hochschulen, Forschungsinstitute sowie NGOs/NPOs.