Wie lassen sich Mängel an Fahrradwegen möglichst effizient erfassen? Dieser Frage gingen im Sommersemester 2021 ein interdisziplinäres Studierendenteam, der Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) in Hamburg und Esri nach. Im Rahmen der Cross Innovation Class der Hamburg Kreativ Gesellschaft entwickelten sie innovative Lösungsansätze und sogar einen digitalen Prototypen.
Knapp die Hälfte der Menschen in Deutschland nutzt regelmäßig das Fahrrad – Tendenz steigend. Hierbei kommt Metropolen eine besonders hohe Bedeutung zu. Hamburg treibt diese Entwicklung voran.
Um Mobilität langfristig nachhaltig zu gestalten, braucht es die richtigen Ziele. Hamburg hat sich deshalb vorgenommen, den Anteil von zurückgelegten Wegen innerhalb des Umweltverbundes am Gesamtverkehr in den kommenden Jahren auf 80 Prozent zu erhöhen. Zum Umweltverbund zählen neben dem Fahrrad auch der öffentliche Personennahverkehr und der Fußverkehr.
Die Infrastruktur muss stimmen
Ein wichtiger Akteur beim Unterhalt und Ausbau von Geh- und Radwegen ist in Hamburg der Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). Hier weiß man nur zu gut: Moderne Radwege sind kein Selbstläufer. Eine große Herausforderung bei der Verbesserung der Radwege sind fehlende Daten über die Qualität von einzelnen Abschnitten in der Stadt. Gäbe es mehr Daten zu kritischen Streckenabschnitten, könnten die Behörden diese viel effizienter verbessern.
Doch wie lässt sich die Datenqualität zu den Radwegen verbessern? Genau dieser Frage gingen sechs Studierende mit Fachrichtung Stadtplanung, Smart Technology, Logistik/ Mobilität und Produktdesign im Rahmen der Cross Innovation Class der Hamburg Kreativ Gesellschaft im Sommersemester 2021 nach.
In der Veranstaltungsreihe Cross Innovation Class setzen sich mehrere Unternehmen gemeinsam mit den Studierenden mit aktuellen Problemstellungen auseinander und entwickeln hier innovative Lösungsansätze. So auch mit der Frage, wie sich Mängel an Fahrradwegen einfach und effizient erfassen lassen. Was dort nach einem Semester entstand, überraschte selbst Mobilitätsexpert:innen. So hat das Team mit Unterstützung erfahrener Spezialisten von Esri einen Prototypen erarbeitet. Mit diesem Konzept und Prototypen kann der LSBG mit Hilfe der Bevölkerung den Zustand der Radwege digital erfassen.
Mängel an Radwegen smart erfassen
Der physische Kern der Lösung ist eine mit Sensoren ausgestattete Box. Diese ist direkt auf dem Fahrrad montiert und ermöglicht Fahrradfahrer:innen während der Fahrt Mängel an Fahrradwegen via Fingertipp zu melden.
Zentral dabei ist: Die Anwendung der smarten Box ist intuitiv und auch bei voller Fahrt ungefährlich. Angebracht wird die “Hamburger Fahrradbox” am Lenker des Fahrrads. Sie verfügt über zwei Knöpfe, die mit einem Mini-Computer verbunden sind.
Während der Fahrt können die Fahrer:innen so via Knopfdruck melden, ob der Zustand der Straße schlecht ist oder die Sicherheit der Radfahrer:innen gefährdet ist. Auch positives Feedback zu bedarfsgerecht ausgebauten Abschnitten kann auf diese Art übermittelt werden. Jede Meldung wird über das Smartphone der Fahrradfahrer:innen in Echtzeit an den LSBG übermittelt. Dabei wird nicht nur die Information über den Straßenzustand übertragen, sondern auch die exakte Position. So kann der LSBG dank der Esri-Technologie alle Meldungen auf einer Stadtkarte visualisieren und häufig gemeldete Stellen identifizieren.
Das Resultat: Mangelhafte und viel befahrene Stellen werden sichtbar. Doch nicht nur das. Ebenso ist eine Priorisierung von Stellen möglich, wenn besonders viele Meldungen an einem Abschnitt eingehen. Darüber hinaus erfasst das System Erschütterungen und bei Nachtfahrten registriert ein Lichtsensor die Helligkeit. So können durchgehend Rückschlüsse auf die Qualität und auf die Beleuchtung gezogen werden.
Technologische Basis:
Diese Daten der Fahrradbox werden in Echtzeit in einen ArcGIS Feature Service synchronisiert und können so vom LSBG für Analysen und Visualisierungen beispielsweise in einem Dashboard verwendet werden. Zudem kann nun in Zukunft der gesamte Bürgerbeteiligungs-Workflow mit ArcGIS Hub abgedeckt werden. Zukünftig könnte der Landesbetrieb Bürgerinitiativen einbinden. Freiwillige könnten sich direkt registrieren, um sich für die Fahrradbox zu bewerben. So kann nicht nur die Community organisiert, sondern auch das Erfassen von Daten koordiniert werden.
Gemeinsam zur Stadt der Zukunft
Die Hamburger Fahrradbox hat nicht nur die Projektbeteiligten von Esri und dem LSBG begeistert. Das Team hat auch die Jury der Cross Innovation Class überzeugt und am 01. Juli 2021 den Preis für den besten Prototypen gewonnen.
Für Thomas Koblet, Head of Smart Solutions bei Esri Deutschland und Schweiz ist die Förderung des kreativ-digitalen Nachwuchses maßgebend:
“Die innovative Denkweise der Studierenden hat uns enorm beeindruckt. Am Anfang des Projektes wäre allen am liebsten gewesen, einen konkreten Arbeitsauftrag zu erhalten. Letztendlich haben uns die Studierenden mit ihren eigenen Ideen und dem erarbeiteten Prototypen überrascht.“
Thomas Koblet, Head of Smart Solutions bei Esri Deutschland und Schweiz