Artificial Intelligence zählt auch in der Geobranche zu den Trendthemen des Jahres. Doch was genau bringt die Entwicklung? Wir sprechen mit Uwe König, Geschäftsführer von con terra, über konkrete Anwendungsbeispiele und neue Potenziale für Unternehmen.
Herr König, in der Geobranche ist Künstliche Intelligenz eines der Themen, das gerade besonders polarisiert. Wie ist Ihre Einschätzung: Ist KI ein kurzfristiger Hype oder ein nachhaltiger Trend?
An KI führt heutzutage kein Weg mehr vorbei. Werfen wir nur einmal einen Blick auf das weltweite Datenwachstum: Laut IDC ist mit einem weltweiten Anstieg der Datenmengen von 33 Zettabyte im Jahr 2018 auf 175 Zettabyte in 2025 zu rechnen. Das entspricht einer durchschnittlichen Steigerung von knapp über 27 Prozent pro Jahr. Außerdem wächst nicht nur die Menge der Daten selbst, sondern auch die Anzahl an Quellen, aus denen sie entspringen: Open Data, der Mensch als Sensor und Earth Observation sind hier nur einige zu nennende Aspekte – die zumal einen direkten Bezug zur Relevanz von Geodaten haben.
Die Geotechnologie ist dabei auf dem Vormarsch und verzahnt sich mehr und mehr mit der klassischen IT-Infrastruktur in Unternehmen. Die Daten dann einfach nur zu haben ist nicht das, worauf es ankommt. Erst durch ihre Aufbereitung und die Erschließung von Zusammenhängen können wertvolle Informationen gewonnen werden.
„KI ist ein nachhaltiges Thema.“
Uwe König, Geschäftsführer von con terra
Um aber die gesamte Datenflut in Wert setzen zu können, braucht der Mensch Unterstützung – und diese findet er in der Nutzung von künstlicher Intelligenz. Von daher ist KI ein klar nachhaltiges Thema, da es Notwendigkeit besitzt und eine unabwendbare Entwicklungsstufe auch in der GeoIT einleitet. Ich mag den Spruch „Künstliche Intelligenz ist die neue Elektrizität“ von Andrew Ng, Mitbegründer des Google Brain Teams und bin schon sehr gespannt, auf welche Weise sich dieses bewahrheiten wird.
In welchen Bereichen der GeoIT sehen Sie ein besonderes Potenzial für den Einsatz von KI?
Einen besonders hohen Stellenwert nimmt KI in den Bereichen Spracherkennung, Bilderkennung und Prädiktion ein. In Sachen Spracherkennung haben wir zum Beispiel unserer eigenen Technologie map.apps eine Stimme gegeben. Insbesondere die Befehlseingabe via Sprache bietet für Teilbereiche der Geobranche einen enormen Mehrwert. Kunden aus dem Forstbereich nehmen zum Beispiel noch viele Maße analog auf, um anhand dieser Daten Aussagen über den Zustand der Wälder ableiten zu können. So wird beispielsweise der Umfang hunderter Bäume per Hand gemessen, das Werkzeug zur Seite gelegt und die Werte von Hand eingegeben. Dank der Spracherkennung sind diese Arbeitsschritte wesentlich effizienter abzubilden.
Weiter kann GeoAI dabei unterstützen, Bildmaterial automatisiert und großflächig auszuwerten. Lernt man die künstliche Intelligenz richtig an, so kann sie bestimmte Merkmale auf Bildern erkennen. Bezogen auf Luftbilder können Objekte erkannt und sogar geometrisch extrahiert werden. Bestimmte KI-Techniken, das sogenannte Deep Learning, haben uns hier wesentliche Fortschritte ermöglicht. Gleichzeitig kann die KI das Zählen von Objekten für den Menschen übernehmen oder ihm weitere Prozessschritte bei der Bearbeitung von Bild- und Videomaterial abnehmen. Esri bietet hier bereits eine hervorragende Unterstützung, die insbesondere die arbeitsintensiven Schritte stark vereinfacht.
Prädiktion ist sicherlich der abstrakteste, aber vielleicht auch spannendste dieser drei Bereiche. KI hilft uns hier, einen Blick in die Zukunft zu wagen. Häufig möchten wir die Fragen beantworten, wann, wo und wie stark ein bestimmtes Ereignis aufritt. Die Zusammenhänge und Einflussfaktoren sind für uns Menschen aber oft sehr schwer zu modellieren. Genau hier hilft uns KI, aus den vorliegenden Daten auch komplexeste Muster zu erkennen. So sind wir in der Lage, Erkenntnisse für die Zukunft ableiten zu können.
Das klingt gerade noch recht abstrakt. Können Sie ganz konkrete Anwendungsbeispiele aus der Praxis nennen?
Was die Prognosefähigkeit von KI angeht, gibt es sehr anschauliche Beispiele. Die Zerstörung unserer Fichtenwälder durch den Borkenkäfer ist ein sehr aktuelles Thema. Es gilt ein mögliches Auftreten möglichst frühzeitig zu prognostizieren, um bereits geeignete Maßnahmen einzuleiten, wenn der Befall noch in einem frühen Stadium ist. Anhand von Trainingsdaten aus vergangenen Phasen, in denen der Populationsverlauf bereits bekannt ist, wird die KI trainiert Zusammenhänge aus den Daten zu erkennen und deren Auswirkungen abzuleiten. Nach dieser Lernphase können wir das KI-Modell dann auf neue und dem Modell noch unbekannte Daten ansetzen, um so aktuelle Prognosen zu erhalten. Im konkreten Fall speisen wir die Modelle also mit verschiedenen Umweltdaten wie z.B. Temperaturen oder anderen Wetterdaten und lassen sie bestimmen, wie sich die Population des Schädlings in unserer Zielregion entwickeln wird. Die KI lernt also aus Daten und leitet daraus Regeln und Muster für die Zukunft ab.
Aus dem Reich der Tiere kommen wir auch bei dem Thema Bilderkennung noch nicht ganz los. So lassen wir unsere KI aus Überflugbildern Seevögel auf dem Meer erkennen. Das bedeutet, dass die KI das Videomaterial monitort und relevante Ausschnitte identifiziert. Für den Kunden heißt das, dass sich das für ihn auszuwertende Material deutlich reduziert, weil alle Bilder, auf denen keine Vögel sind, direkt aussortiert werden können. Etwas Eigenleistung durch den Menschen ist dann aber doch noch gefragt – die Vogelart erkennt unsere KI zurzeit noch nicht.
Die ArcGIS Plattform bietet in ArcGIS Pro wertvolle KI-Werkzeuge zur Umsetzung eigener KI Vorhaben. Darüber hinaus hat Esri mit der Einführung des ArcGIS Notebook Servers eine schöne Möglichkeit geschaffen, Quellcode, KI-Analysen und On-the-fly Kartenvisualisierungen in einer Oberfläche zusammen zu führen.
Esri setzt hier richtigerweise stark auf Python, der verbindenden Sprache der KI. Auf dieser Basis sind sehr starke KI Frameworks, wie das populäre Tensorflow oder CNTK, entstanden. Für uns als Dienstleister ist es gut, dass uns Esri hier die Flexibilität gibt, im Hintergrund auf unterschiedliche Technologien zugreifen zu können.
Wir haben noch weitere Projekte und Prototypen in der Umsetzung, diese beiden sind recht griffig, um einfach zu zeigen, was möglich ist und wo der Mensch bereits auf Künstliche Intelligenz vertraut.
Wie würden Sie den Bedarf auf Kundenseite bewerten?
Wir merken verstärkt, dass unsere Kunden Interesse an dem Thema KI zeigen. Den Bogen zu spannen und einen Anwendungsfall im Rahmen der eigenen Unternehmensprozesse zu finden ist allerdings bei vielen Kunden noch zu fern. Wir sind der Überzeugung, dass sich das in den nächsten zwei Jahren ändern wird, sobald es mehr Pilotprojekte gibt, die dem Kunden den praktischen Mehrwert von KI näherbringen.
Wir haben außerdem einen Workshop aufgelegt, in dem wir einem heterogenen Team aus einem Unternehmen die Potenziale von GeoIT aufzeigen und sie Unternehmensprozesse benennen können, die durch den Einbezug von Geodaten verbessert werden könnten. Zu ergänzen ist aber, dass Künstliche Intelligenz auch einige Hürden mit sich bringt. Das gilt sowohl auf Kundenseite als auch aus Sicht des Dienstleisters. Von daher ist ein offener und ehrlicher Dialog über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von KI unabdingbar.
Das klingt fast so, als würde der Digitale Wandel auch das Verhältnis zwischen Kunden und Dienstleistern verändern. Denken Sie als Dienstleister, dass Sie mit neuen Anforderungen an Ihr Leistungsspektrum konfrontiert werden?
Wir bemerken schon seit einigen Jahren, dass auch die Anforderungen unserer Kunden eine Veränderung erleben. Neben Standardlösungen, die oft sehr gut über die breite Produktpalette von Esri abgedeckt werden können, gab es schon immer einen großen Bedarf an individuellen und auf den Anwendungsbereich zugeschnittenen Anwendungen.
Wir bei con terra begegnen diesem Wunsch nach Individualität mit unserem modularen Leistungsangebot, bei dem wir gemeinsam mit unseren Kunden die Anforderungen herausarbeiten und Lösungen bauen, die genau den Bedürfnissen entsprechen. Besonders bei neuen Themen, wie GeoAI ist ein iterativer Prozess wichtig.
Der Kunde darf sich nicht mit einer neuartigen Technologie allein gelassen fühlen. Gemeinsam an der Lösung feilen und Schritt für Schritt herausfinden, an welcher Stelle welcher Baustein passt, ist dabei ein idealer Weg, der auch zu einer breiten Akzeptanz und bedarfsgerechten Entwicklung führt. Effizienz steht demnach im Vordergrund und der Einsatz von Technologien, die wirkliche Mehrwerte liefern.
Konkret auf die Frage bezogen heißt das, dass sich unser Leistungsspektrum eindeutig stärker auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden ausrichten wird. Als führender GeoIT Integrator entspricht das natürlich auch genau unserem Ansatz, wie wir im Markt auftreten und wahrgenommen werden wollen.
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