Digitale Zwillinge für Städte und Kommunen eröffnen faszinierende Möglichkeiten für die Entwicklung urbaner Räume. Ein im Januar 2021 initiiertes Projekt wird dank der engagierten Zusammenarbeit von 70 Expert:innen aus den drei deutschen Partnerstädten Hamburg, Leipzig und München vorangetrieben. Wichtige Themen wie soziale Transformation, Klimawandel, Mobilitätswende und Energie stehen dabei im Fokus. Die Nase vorn hat bislang Leipzig.
Die Grundlage für den Erfolg des innovativen Projekts bildet die Zusammenführung und Vernetzung städtischer Daten in einer urbanen Plattform. Dieser Schritt ist entscheidend, um Transparenz zu schaffen und vorhandene Datensilos aufzubrechen. Durch die Integration verschiedener Datenquellen entsteht eine umfassende Sicht auf komplexe urbane Zusammenhänge. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dann anschaulich visualisiert, reale Szenarien simuliert und anschließend ausgewertet. Im Rahmen des Projekts werden raumbasierte Lösungen entwickelt, um deutsche Städte und Kommunen zukunftsfähig, widerstandsfähig und effektiv zu gestalten. Gleichzeitig soll die Datenhoheit gewahrt bleiben.
Für jede der Städte stehen zahlreiche GIS-Anwendungen in einer Geodateninfrastruktur zur Verfügung. Diese Anwendungen basieren auf bewährten Technologien wie ArcGIS von Esri sowie anderen Produkten wie FME und Open Source. Sie beinhalten eine breite Palette an Funktionalitäten und können flexibel an die Anforderungen der Stadt- und Verkehrsentwicklung angepasst werden. Diese vielfältigen Anwendungen stellen ein solides Werkzeug dar, das skalierbar ist.
Praxisbeispiele für den Einsatz dieser urbanen Plattform und der GIS-Anwendungen sind vielfältig. So lassen sich bei der Verkehrsplanung Daten zu Verkehrsvolumen, Straßeninfrastruktur, öffentlichen Verkehrsmitteln und anderen relevanten Faktoren zusammenführen. Mithilfe dieser Informationen können Verkehrsströme analysiert und optimiert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse unterstützen Entscheidungsträger dabei, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um Engpässe zu beseitigen, Verkehrsflüsse zu verbessern und nachhaltige Mobilitätskonzepte zu entwickeln.
Ein weiteres Beispiel betrifft die Stadtentwicklung und Raumplanung. Durch die Integration von Informationen zu Gebäuden, Grundstücken, Bevölkerungsdaten, Umweltfaktoren und anderen relevanten Variablen können Städtebau- und Entwicklungsprojekte unterstützt werden.
Die visuelle Darstellung und Simulation von Daten ermöglichen es, verschiedene Was-wäre-wenn-Szenarien zu untersuchen und ihre Auswirkungen auf die städtische Umgebung zu bewerten. Dies eröffnet Möglichkeiten für den Entwurf nachhaltiger und lebenswerter Stadtviertel, die den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner gerecht werden.
Neben der Stadtentwicklung können die GIS-Anwendungen auch in der Umweltplanung und im Ressourcenmanagement eingesetzt werden. Durch die Integration von Daten zu Umweltbelastungen, Luft- und Wasserqualität, erneuerbaren Energien und weiteren Faktoren können Umweltauswirkungen analysiert und bewertet werden. Auf dieser Grundlage lassen sich Strategien entwickeln, um Umweltbelastungen zu reduzieren, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und den effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen zu fördern.
Insgesamt erlaubt die Entwicklung von Digitalen Zwillingen für Städte und Kommunen eine datenbasierte Entscheidungsfindung und eine effektive Planung für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Dieses Konzept schafft Transparenz, fördert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und bietet eine integrierte Sicht auf komplexe urbane Zusammenhänge. Dabei bleiben auch Bildungsthemen und pädagogischer Förderbedarf nicht außen vor: Sie liefern durch eigens erstellte Dashboards im Rahmen eines interaktiven Bildungsreports Informationen über den aktuellen Zustand.
Der Geobasiszwilling ist Grundlage für Urbane Digitale Zwillinge
Die grundlegenden Bausteine für die Schaffung eines digitalen Abbilds einer Stadt sind die städtischen Geobasisinformationen. Diese umfassen Geodaten auf Bundesebene, Länderebene und kommunaler Ebene. Sie legen den Raumbezug fest, ermöglichen eine dauerhafte, fachübergreifende Verknüpfung von Informationen und schaffen somit einen eindeutigen Interpretationsraum. Darüber hinaus zählen auch raumbezogene Analysen wie Routing und Anwendungen wie Visualisierungen zu wesentlichen Elementen. Die Gesamtheit dieser Ressourcen der städtischen Geobasisinformationen kann als “Geobasiszwilling” bezeichnet werden. Er fungiert als urbane Datenplattform. Durch die Nutzung von Mensch-Maschine-Schnittstellen (MMI) werden diese Daten dann modelliert, simuliert und überwacht, um Prognosen zu ermöglichen und die Steuerung realer Objekte zu unterstützen. Dabei werden technische, organisatorische und rechtliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.
In der Praxis bedeutet dies: Alle verfügbaren Geobasisinformationen und Fachdaten plus alle Analysen und Anwendungen werden zu einem umfassenden Ganzen zusammengeführt. Nach dem Aufbau, der Weiterentwicklung und der operativen Nutzung der Digitalen Zwillingen werden nach und nach weitere innovative Anwendungsfälle für die Stadtentwicklung erprobt.
Eine Stadt zum Anfassen
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Planung resilienter Städte für die Bürgerinnen und Bürger, die aktiv in den Gestaltungsprozess eingebunden werden. Unter dem Motto „Neu denken: Beteiligung der Stadtgesellschaft“ kommen innovative digitale Beteiligungsformate, -instrumente und -verfahren zum Einsatz, um eine breite Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Gleichzeitig fließt diese aktive Form der Bürgerbeteiligung in die transformative experimentelle Stadtforschung ein. Durch die Verknüpfung von technologischer und sozialwissenschaftlicher Forschung entstehen urbane Digitale Zwillinge, die die Bedürfnisse und Anliegen der Stadtgesellschaft widerspiegeln.
Die Stadt Leipzig nimmt in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle ein. Sie verwendet Esri-Technologie bereits seit vielen Jahren effizient zur Nutzung von Geodaten in verschiedenen Bereichen wie Vermessung, Umweltüberwachung, Verkehr, Tiefbau, Statistik und Sicherheit. Jana Dietrich, Expertin des Amts für Geoinformation und Bodenordnung, GeodatenService der Stadt Leipzig, ist Teil der Projektgruppe „Connected Urban Twin“. Das Projekt repräsentiert eine einzigartige wissenschaftliche und technologische Initiative, die durch das Zusammenwirken verschiedener Disziplinen maximale Erkenntnisse liefert – mit dem Ziel, sie zukünftig auch in anderen Städten und Kommunen auf überregionaler Ebene anwenden zu können.
Die Stadt Leipzig, oft als „Boomtown des Ostens“ bezeichnet, vereint Tradition und Moderne. Mit einer starken Kulturszene und dynamischem Wirtschaftswachstum setzt sie GIS-Technologien effizient für die Planung und Entwicklung urbaner Räume ein.