Der Klimawandel verschärft die Hitze in Städten erheblich. Dachbegrünung bietet eine effektive Lösung zur Kühlung und Verbesserung des städtischen Mikroklimas.
Der Klimawandel ist im Sommer vor allem in dicht bebauten und stark versiegelten Gebieten zu spüren. Asphalt und Beton speichern Wärme besonders gut und tragen dazu bei, dass sich Städte deutlich stärker erhitzen als das Umland. Die angestaute Hitze beeinträchtigt das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen. Städte sind daher gefordert, Lösungen gegen Hitzeinseln zu finden.
In diesem Kontext hat sich die Dachbegrünung als eine innovative und nachhaltige Lösung zur Verbesserung der Wohn- und Aufenthaltsqualität in urbanen Quartieren etabliert. Durch die Verdunstung des Wassers hat Vegetation einen kühlenden Effekt auf das Mikroklima. Ausserdem verbessern Pflanzen die Luftqualität, reduzieren den Regenwasserabfluss und fördern die Biodiversität.
Auch für die Energieeffizienz von Gebäuden ist die Dachbegrünung vorteilhaft, denn die Vegetation bietet eine natürliche Isolationsschicht, die die Dächer vor extremen Temperaturen schützen. Der Energiebedarf für Heizung oder Kühlung wird dadurch gesenkt.
Dachbegrünung messen
Die Dachbegrünung kann somit zur Attraktivität eines Standortes beitragen und ist eine wichtige Massnahme gegen die Klimaerwärmung. Die Zürcher Kantonalbank hat untersucht, wie verbreitet diese in den Gemeinden des Kantons Zürich ist.
In Zusammenarbeit mit Esri Schweiz haben wir eine Methode für die Messung der Dachbegrünung mithilfe des „normierten differenzierten Vegetationsindex“ (NDVI) konzipiert. Der Index ist eine verbreitete Fernerkundungsmethode auf Basis von Luftbildern mit Infrarotkanal, um das Vorkommen und die Gesundheit von Vegetation zu messen.
Der NDVI nutzt eine einmalige Eigenschaft der Vegetation aus: Gesunde Pflanzen reflektieren nur wenig im roten, sichtbaren Spektralbereich, im nahen Infrarot-Bereich hingegen ist die Rückstrahlung hoch. Andere Oberflächenmaterialien zeigen keine solche starken Unterschiede im Reflektionsgrad. Dadurch kann gesunde Vegetation besonders gut von anderen Oberflächen auseinandergehalten werden.
Die NDVI-Werte bewegen sich zwischen -1 und 1. Negative Werte deuten auf Wasser, Schnee oder Wolken hin, Werte nahe Null auf blosse Erde, Stein oder Beton. Positive Werte zeigen hingegen das Vorkommen von Vegetation auf.
Luftbilder und Karte schaffen Überblick
Mit der spezifischen Raster-Funktion in ArcGIS Pro haben wir den NDVI mit Infrarotaufnahmen vom Sommer 2020 des Kantons Zürich berechnet. Im Sommer ist der Wachstumshöhepunkt der Vegetation, die grüne Biomasse ist auf den Infrarotaufnahmen gut erkennbar und der NDVI deshalb besonders aussagekräftig.
Die folgenden Bilder zeigen, wie gut die begrünte Fläche mit dieser Methode ermittelt werden kann.
Beispiele: Von links nach rechts bzw. oben nach unten (mobil): Luftbild – Infrarotdarstellung – Klassifizierung nach NDVI-Werte. Alle Berechnungen erfolgten in ArcGIS Pro.
Anteil Begrünung 20%
Anteil Begrünung 50%
Anteil Begrünung 80%
Bilder: Quelle – Kanton Zürich, Zürcher Kantonalbank
Für jedes Pixel wird ersichtlich, ob Vegetation vorkommt oder nicht. Daraus lässt sich schliesslich der Anteil begrünter Flachdachfläche pro Gemeinde berechnen (siehe Karte). Die Anteile sind generell nicht sehr hoch. Zu beachten ist aber, dass eine vollständige Begrünung eines Daches nahezu unmöglich ist, da oft noch Fenster, Schornsteine oder weitere Aufbauten im Weg stehen.
Potentiale erkennen
Viele Gemeinden haben die positiven Effekte der Dachbegrünung erkannt und versuchen mit der Einführung von Pflichten den Ausbau voranzutreiben. Hier sind die Flachdächer grüner gestaltet als anderswo.
Die GIS-Analyse zeigt aber auch, dass bei einigen Gemeinden ein grosses Aufholpotenzial besteht. Die perspektivisch noch zunehmende Anzahl Hitzetage sollte Anlass genug sein, lebendige Dächer zu fördern. Im Idealfall wird das Gründach im Sinne des Kilmaschutzes noch mit der Produktion von grünem Strom, d.h. mit einer Photovoltaikanlage kombiniert.
Der kühlende Effekt der Vegetation hat sogar einen positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Anlage, die dadurch mehr Strom produzieren kann. Bislang sind Energiegründächer jedoch nur selten anzutreffen. Die Anlagen brauchen einen gewissen Abstand zum Grün, was häufig dem geltenden Baurecht zuwiderläuft. Eine grössere Flexibilität bei den zulässigen Gebäudehöhen wäre diesbezüglich zu begrüssen.
Vegetation ist eine unumgängliche Helferin im Umgang mit dem Klimawandel. Grünflächen müssen vor allem in den Städten gefördert werden. Mit der NDVI-Methode lassen sich die Fortschritte messen, und zwar nicht nur auf den einzelnen Dächern, sondern in ganzen Quartieren.
Hat man einen Überblick der Grünflächen einer Stadt, können Plätze oder Strassenzüge ausfindig gemacht werden, die einem erhöhten Risiko von Hitzestau ausgesetzt sind. Der Blick von oben erlaubt es, neue Massnahmen zu definieren und den Kampf gegen die Klimaerwärmung noch effektiver zu gestalten, damit auch dicht bebaute Städte in Zukunft lebenswert bleiben.
Autorin:
Isabella Kübler
Geografin, ist Senior GIS-Analystin im Team Immobilien Research der Zürcher Kantonalbank.